Am 22.09.2016 wandte sich der Architekt BDA, Wolfram Suhr mit mahnenden Worten an den Bürgermeister und die Gemeindevertretung. Wolfram Suhr ist der Sohn des Architekten BDA, Diedrich Suhr, dem Erbauer der „Elac-Häuser“.
Wolfram Suhr hat uns diesen Brief (und den folgenden Nachbrief) zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt.
Brief von Wolfram Suhr vom 22.09.2016:
Sehr geehrter Bürgermeister
Sehr geehrte Gemeindevertreter von Kronshagen,
In manchen Städten wäre man froh, eine so harmonische, mit Bescheidenheit, aber Feingefühl entwickelte städtebauliche Situation vorzufinden, wie hier bei Ihnen in Kronshagen im Schnittpunkt Kieler Straße / Kopperpahler Allee. Man würde an dem vorzüglichen Bau der Sparkasse und den Elac-Häusern Schilder anbringen, damit die Bürger lesen könnten, wer hier gewirkt hat und in welcher Zeit diese Gebäude entstanden sind. So jedenfalls wird mit dem Bestand hier z.B. in Lütjenburg verfahren.
Ich befürchte, Sie sind im Begriff, die weitgehend einheitlich bebaute Mitte Kronshagens zu zerstören. Ich bitte alle Beteiligten – meine Hamburger BDA-Kollegen, den Bürgermeister und alle verantwortlichen Mitglieder der Kronshagener Gemeindevertretung -, dieses Vorhaben noch einmal in aller Ruhe zu überdenken.
Mein Vater, Architekt BDA Diedrich Suhr, wurde von dem Kieler Stadtbaurat Dr. Ing. Hahn 1929 von Schlawe in Hinterpommern nach Kiel gerufen, weil er von ihm Impulse für den Aufbau Kiels erhoffte. (1) Viele Bauten meines Vaters stehen heute unter Denkmalschutz. (2)
Als mein Vater den Auftrag bekam, in Kronshagen die „Elac-Häuser“ zu bauen, herrschten in Deutschland Verzweiflung, Armut und die Nachwehen der Inflation und Weltwirtschaftskrise. Es mussten einfachste Bauten errichtet werden. In Kiel Iltisstraße hatte er gerade für unbemittelte Familien zwei ähnliche Häuser entworfen, aus Kostengründen mit einfachen Putzfassaden. Diese Bauten wurden kürzlich noch sorgfältig renoviert und erhalten!
In Kronshagen sah er das sehr schöne Backsteingebäude der heutigen Fördesparkassse. Er sah vor allem auch, dass ringsherum einheimischer Backsteinbau vorherrschte. Er entwarf einfachste Wohnungen für eine ähnliche Klientel wie in Kiel, passte dies aber mit viel teureren Backsteinfassaden der Umgebung an. Durch vorsichtiges Zurücksetzen des zweiten Hauses ließ er den Blick frei auf das von ihm hoch eingeschätzte Gebäude der heutigen Sparkasse. Es ist zeitgemäß, heutzutage solch städtebauliche Situationen zu erhalten.
Geben Sie den Hamburger Kollegen Auftrag, mit geringem Aufwand die „Elac-Häuser“ den heutigen Wohnansprüchen anzupassen. Stellen Sie damit gleichzeitig Wohnungen für weniger bemittelte Bürger Ihrer Gemeinde zur Verfügung (eine absolut zeitgemäße Forderung!). Ihre finanziellen Helfer in den Kieler Ministerien werden dies m.E. sofort zustimmend mit tragen.
Den Wettbewerbsentwurf meiner Hamburger BDA-Kollegen, dessen Wohnqualität ich nicht anzweifle, lassen Sie an anderer Stelle errichten. Gehen Sie, wenn Ihnen finanzielle Überlegungen näher liegen als städtebauliche, davon aus, dass ein Neubau an dieser Stelle heute Mieten in 3 bis 4-facher Höhe notwendig machen, die an dieser sehr unruhigen Lage auf Dauer kaum erzielbar bleiben.
Ich bitte dieses Schreiben bei der Zusammenkunft am 4.10.16 vorlesen zu lassen, da ich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sein werde, selbst zu kommen.
Mit freundlichen Grüßen gez.: Suhr
1) Hahn in „Neue Baukunst“ (Sonderdruck): Architekt Diedrich Suhr, Schlawe in Pommern, Berlin 1927
Historia i Kultura ziemi Slawienskiej, Tom VII Gmina Slawno S. 271 ff. in Deutsch und
Polnisch, Slawno 2008
2) Kulturdenkmäler in Schleswig-Holstein – Landeshauptstadt Kiel Bd. 1, Wachholz, Neumünster 1995
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